Erfahrungsberichte

Erfahrungsbericht Andreas

Diagnose: F 31.0 affektive bipolare Störung - Berichten über meine Erfahrungen als 53jähriger Mann mit obiger Diagnose ist und bleibt eine Herausforderung.

Sicher, ich könnte zurückgreifen auf einen ganzen Stapel von Tagebüchern in denen ich in ungezählten Stunden im geschriebenen Wort zum Ausdruck brachte was mich beschäftigt. Gedanken, Visionen, Gefühle, Erfahrungen, Träume, gelebtes und über mein Leben, es sind mehrere Tausend Seiten die zusammengekommen sind im Laufe der Jahre. Geprägt vom Normen und Wertesystem meiner Eltern, die Landwirte waren, der Vater im Krieg zum Invaliden geschossen, reagierte ich schon als Kind anders als meine Geschwister.

In den Jahren der Pflichtschule zunehmend von männlichen Autoritätspersonen geschädigt, Lehrer, Priester die über meine Grenzen gegangen sind und traumatische Erfahrungen in meiner Seele hinterlassen haben.

Ich hab keinen Maßstab, aber ich glaube es gibt wenige Männer die so viel an Psychotherapie Stunden bei unterschiedlichen Therapeuten gemacht haben. Alles lange bevor es eine schulmedizinische Diagnose gab. Von außen betrachtet war ich der ganz normale Vorarlberger Durchschnittsmann, lernte Industriekaufmann, Kraftfahrer und Maschinist, Erdbeweger, Verkäufer, war 25 Jahre verheiratet, Vater von zwei Söhnen, baute ein Haus. Im Inneren kämpfte ich Jahrelang mit Depressionen, heute kann ich sagen, die Depressionen waren für mich die Krankheit der nicht gelebten Trauer, die Manien der Lösungs- und Heilungsversuch von seelischen sehr belastenden Erlebnissen.

1999 - 2001 Ausbildung in prozessorientierter Familien und Gruppenarbeit, der Basis zum Sozial- und Lebensberater. Von 2001 bis 2007, dem Ausbruch der psychischen Erkrankung, mit erstem stationären Aufenthalt, arbeitete ich als Soziotherapeut in der Therapiestation Carina in Feldkirch. Mein Verantwortungsbereich war die Tiergestützte Therapie, Schwerpunkt Reittherapie aber auch die Arbeit im Landschafts- und Gartenbau hatte großen therapeutischen Wert für die Patienten.

2007 - 2011 eine Odyssee durch Psychiatrie und Praxen von Psychiatern, seit 2009 in der Berufsunfähigkeitspension, Scheidung und Lösung von Haus und Dorfgemeinschaft, wiederholte Verluste von Arbeitsplätzen, in sechs Jahren lebte ich an neun verschiedenen Wohnorten, zur Zeit in Sulz in einer privaten WG mit meiner Cousine und deren Sohn.

Aus heutiger Sicht getrau ich mich zu sagen, ich lebe in der Zeit nach den psychischen Krisen, was geblieben ist, sind die sozial gesellschaftlichen Langzeitnebenwirkungen der Krankheit, die nach wie vor eine große Herausforderung für mich sind.

Neben anderen Quellen schöpfe ich Kraft für die Bewältigung meines Schicksals, aus meinem christlichen Glauben, immer wieder mal gehe ich für eine befristete Zeit in ein Kloster für Einkehrtage, 2011 pilgerte ich zu Fuß, von Westen nach Osten durch ganz Österreich auf dem Jakobsweg anders herum, eine ganz besondere Erfahrung.

Viele Jahre lang lenkte ich große Omnibusse, heute bin ich im Kontakt mit einem anderen ‹omnibus›, der Interessensvertretung von psychiatrieerfahrenen Menschen. Schon wiederholt berichtete ich in Schulprojekten über meine Erfahrungen, gelegentlich besuche ich die Selbsthilfegruppe in der Beratungs- stelle in Bregenz, ansonsten führe ich ein sehr stilles zurückgezogenes Leben, das sich gegenüber früher völlig auf den Kopf gestellt hat.

Wie wahrscheinlich alle Betroffenen könnte ich noch vieles berichten, als Zusammenfassung ist es sicher genug, was bleibt ist:

Trotz allem, ja zum Leben sagen, das wünsch ich Dir, mir und uns.