Erfahrungsberichte
Erfahrungsbericht Stefan
Bereits im Alter von ca.19 Jahren litt ich an depressiven Verstimmungen und zweifelte stark am Sinn des Lebens. 1991 geriet ich erstmals in einen Zustand absoluter Euphorie, welcher mit einer Zwangseinweisung in die Psychiatrie und der aus heutiger Sicht verfrühten Diagnose (dem Stempel) einer bipolaren affektiven Störung (manisch-depressiv) endete.
Danach begann eine mühsame Fahrt durch die eigentlich normale Achterbahn des Lebens, geprägt von extremsten Höhen und lähmenden Depressionen bis hin zur akuten Suizidalität. Meine phasenhaft veränderten Bewusstseinszustände führten mich mehrfach, zum Teil monatelang, in die stationäre Psychiatrie. Und genau dort, wo ich mir am meisten Hilfe bei der Bewältigung meiner „Lebenskrisen" erwartet hätte, musste ich die schlimmsten Erfahrungen meines Lebens machen. Chemische Keulen, verabreicht mit massiver körperlicher Gewalt und psychischer Druck gepaart mit Einschränkungen der persönlichen Freiheit waren mehrfach die Antwort auf meine seelischen Hilferufe. Vollgepumpt mit Neuroleptika, die auch für die Sedierung eines Pferdes gereicht hätten, durfte ich dann „symptomfrei" wieder zurück ins Leben, um dort ein Stück weit wieder von vorne zu beginnen. Das Rätsel um die „Erkrankung", die Identifikation mit der Diagnose, die Scham für mein Verhalten in psychotischen Krisen, die Selbst- und Fremdstigmatisierung waren dabei Hürden, die es fortlaufend zu überwinden galt.
Hier möchte ich aufzählen, was für mich hilfreich war und ist: Meine Herkunftsfamilie und viele Freunde, die sehr engagiert immer zu mir gehalten haben, meine Lebensgefährtin und mein kleiner Sohn, Ärzte, Pfleger und Therapeuten, die mich als Individuum, nicht als Diagnose behandelten. Auch die Möglichkeit Ausbildungen zu machen und Arbeitgeber, die mich „trotzdem" anstellten waren eine große Stütze. Weiters der Austausch mit anderen Betroffenen im Rahmen von omnibus, im Krankenhaus oder einer WG. Wesentlich auch die Erkenntnis, dass eine psychiatrische Diagnose kein lebenslänglich passiv zu erduldendes Schicksal sondern eine bewältigbare Herausforderung darstellt und die Hoffnung auf Gesundheit (im Sinne von Recovery) mehr als berechtigt ist. Meine Überzeugung ist auch, dass eine seelische Erkrankung in irgendeiner Form Sinn macht und daher nicht einfach als eine Neurotransmitterstörung im Gehirn abgetan werden darf.
Persönlich versuche ich, negativen Stress zu vermeiden, immer wieder zur Ruhe zu kommen, dem Leben mit einer gewissen Gelassenheit zu begegnen, auf meine persönlichen „Alarmsignale" zu achten und das, was ich persönlich unter „Sinn" verstehe, auch umzusetzen.
Mitgeben möchte ich den Lesern, die selbst betroffen sind den Mut, zu sich zu stehen und die Hoffnung auf ihre individuelle Gesundheit.